Landesverband Groß- und Außenhandel – unser Beitrag zur Diskussion
Im den LGAD-Nachrichten hat unser Geschäftsführer Thomas Öchsner ein besonderes Instrument der Unternehmensführung als Bestandteil der Nachfolgeplanung vorgestellt.
Beiräte in der Nachfolge: Wenn Erfahrung über Generationen Brücken schlägt
Die Herausforderung der Unternehmensnachfolge im deutschen Mittelstand
Die Unternehmensnachfolge stellt eine der größten Herausforderungen für deutsche Familienunternehmen dar. Laut dem Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn stehen im Zeitraum 2022 bis 2026 etwa 190.000 Unternehmen zur Übergabe an (IfM Bonn, 2021). Jährlich sind dabei rund 30.000 Familienunternehmen betroffen, was etwa 480.000 Beschäftigte einschließt.
Die Realität zeigt jedoch: Die Nachfolgeplanung wird zunehmend schwieriger. Eine aktuelle Umfrage der Stiftung Familienunternehmen ergab, dass 42% aller befragten Unternehmen noch keinen Nachfolger für die Geschäftsleitung aus der Familie haben (ifo Institut/Stiftung Familienunternehmen, 2023). Gleichzeitig schaffen nur noch 34% eine familieninterne Nachfolge – Tendenz fallend.
Beiräte als strategische Partner in kritischen Phasen
Beiräte und Aufsichtsräte sind in mittelständischen Unternehmen längst mehr als nur ein Aushängeschild. Sie entwickeln sich zu strategischen Gremien, die erheblichen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen nehmen. Bei der Regelung der Unternehmensnachfolge können Beiräte eine Schlüsselfunktion übernehmen – als stabilisierende Kraft, vertrauensvoller Berater und neutrale Instanz zwischen den Generationen.
Notfallplanung und ungeplante Nachfolgen
Besonders deutlich wird diese Bedeutung in Situationen ungeplanter Nachfolge. Ein plötzlicher Todesfall, ein Unfall oder eine schwere Erkrankung des Unternehmers können innerhalb weniger Stunden die gesamte Unternehmensstruktur erschüttern. Die Familie ist oft handlungsunfähig – während gleichzeitig das Unternehmen in seiner Entscheidungsfähigkeit, Führung und Außenwirkung nicht gelähmt werden darf.
In solchen kritischen Momenten kann ein gut vorbereiteter Beirat kurzfristig agieren durch die Einsetzung einer Interims-Geschäftsführung, durch Kommunikation mit Banken, Kunden oder Mitarbeitern und durch die Wahrung der Interessen der Gesellschafterfamilie.
Die moderne Rolle des Beirats im Nachfolgeprozess
Strategische Beratung und Konfliktmediation
Ein kompetent besetzter und legitimierter Beirat ist weit mehr als ein strategisches Gremium – er ist ein Schlüsselelement der Unternehmensnachfolge. Wie der WIFU-Praxisleitfaden „Nachfolger in der Führungsrolle“ (2024) betont: „Der Fortbestand von Familienunternehmen erfordert ein sorgfältig geplantes Nachfolgekonzept, das gemeinsam von Familie, Management und Beirat entwickelt und getragen wird“ (WIFU/Egon Zehnder, 2024).
Der Beirat sorgt für Stabilität in Ausnahmesituationen, begleitet Nachfolger auf dem Weg in ihre neue Rolle und sichert die Handlungsfähigkeit des Unternehmens in sensiblen Phasen. Vor allem aber schafft er einen Rahmen für Vertrauen, Entwicklung und unternehmerische Zukunftsgestaltung.
Netzwerk und Kompetenzaufbau
Die Netzwerkfunktion des Beirats gewinnt zunehmend an Bedeutung. Laut einer aktuellen INTES-Studie mit 550 Familienunternehmen nutzen 39% der Unternehmen ihren Beirat, um neue Märkte und Kontakte zu erschließen (INTES-Studie, Juli 2024). Zudem kann er dem Nachfolger helfen, sich in bestehende Netzwerke und Themenfelder einzubringen, ohne dass die enge familieninterne Betrachtung zu dominant wird.
Professionelle Nachfolgegestaltung
Doch auch bei geplanter Nachfolge entfaltet der Beirat seine Wirkung – oft subtil, aber wirkungsvoll. Er kann bereits frühzeitig in die Auswahl und Entwicklung des Nachfolgers eingebunden werden, objektiviert Entscheidungen und liefert die erforderlichen Kompetenzen.
Als neutrale, externe Instanz kann der Beirat zwischen den Generationen vermitteln – fachlich, kulturell und emotional. Wird ihm diese Rolle aktiv zugestanden, kann der Beirat maßgeblich dazu beitragen, dass die Nachfolge nicht nur gelingt, sondern zum echten Zukunftsprojekt wird.
Praxisbeispiele: Wenn Beiräte den Unterschied machen
Erfolgsmodell Henkel: Generationenübergreifende Kontinuität
Die Herausforderung: Das 1876 gegründete Familienunternehmen Henkel (Umsatz: 23,7 Mrd. USD) stand vor der Aufgabe, die Nachfolge in der 5. Generation zu regeln und gleichzeitig als börsennotiertes Unternehmen professionelle Standards zu erfüllen.
Die Beirats-Lösung: Simone Bagel-Trah führt als Familienvertreterin den Aufsichtsrat und kombiniert dabei familiäre Interessen mit externer Expertise. Der Beirat unterstützt strategische Entscheidungen und begleitet die langfristige Nachfolgeplanung.
Das Ergebnis: Henkel ist eines der wenigen Familienunternehmen, das erfolgreich börsennotiert ist und dennoch familiäre Kontrolle behält – ein Modell für viele andere Familienunternehmen.
Flexibles Modell Familie Beutler: Beirat statt direkter Nachfolge
Die Situation: Bei der WERO Medizinprodukte GmbH (260 Mitarbeiter) wollte Sohn Florens Knorr nicht direkt ins Familienunternehmen einsteigen, sondern sein eigenes Start-up gründen.
Die innovative Lösung: Statt auf eine klassische Nachfolge zu drängen, entwickelte die Familie eine flexible Struktur: Florens Knorr gründete erfolgreich sein Bio-Getränke-Unternehmen acáo und vertritt gleichzeitig als Beiratsmitglied die Gesellschafterinteressen bei WERO.
Der Erfolg: Eine Win-Win-Situation – das Start-up floriert, die Familienverbindung bleibt über das Beiratsmandat erhalten, und WERO profitiert von frischen Impulsen der nächsten Generation.
Der „Schlafende Beirat“: Notfallvorsorge für den Ernstfall
Das Konzept: Für Unternehmer, die zu Lebzeiten noch nicht bereit sind, Macht abzugeben, bietet sich der „schlafende Beirat“ an – ein Gremium, das im Normalfall inaktiv bleibt, aber bei ungeplanten Ereignissen sofort handlungsfähig wird.
Die Praxis-Vorteile:
- Sofortige Entscheidungsfähigkeit bei plötzlichem Ausfall des Inhabers
- Vorbereitete Kommunikation mit Banken, Kunden und Mitarbeitern
- Schutz vor ungeplanten Familienkonflikten
- Kontinuität in kritischen Geschäftsentscheidungen
Typische Anwendung: Besonders bei Familienunternehmen mit minderjährigen oder noch unerfahrenen Nachfolgern.
Messbare Erfolgsparameter aus der Praxis
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Unternehmen mit professionellem Beirat erreichen eine Nachfolge-Erfolgsrate von etwa 75%, während Unternehmen ohne Beirat nur auf 45% kommen (KERN-Studien zur Unternehmensnachfolge).
Weitere messbare Vorteile:
- Zeitersparnis: 3-5 Jahre Nachfolgeplanung mit Beirat vs. 5-8 Jahre ohne Beirat
- Reduzierte Konflikte: Externe Moderation verhindert emotionale Eskalationen
- Stabilere Übergänge: Kontinuität in der Geschäftsführung während kritischer Phasen
- Höhere Unternehmenswerte: Professionellere Bewertungsverfahren und strategische Ausrichtung
Handlungsempfehlungen für die Praxis: Der Weg zum erfolgreichen Beirat
Strategische Vorbereitung: Früh anfangen zahlt sich aus
Der Grundstein für einen erfolgreichen Beirat wird bereits 5 bis 10 Jahre vor der geplanten Übergabe gelegt. In dieser Phase sollten Unternehmer zunächst eine klare Zielsetzung entwickeln: Welche spezifischen Aufgaben soll der Beirat übernehmen? Geht es primär um strategische Beratung, Nachfolgebegleitung oder Krisenvorsorge? Eine schriftliche Geschäftsordnung definiert dabei die Kompetenzen, Informationsrechte und Vergütungsstrukturen verbindlich.
Parallel dazu empfiehlt sich eine systematische Bedarfsanalyse. Welche Fähigkeiten fehlen aktuell im Unternehmen? Oft sind es Bereiche wie Digitalisierung, Internationalisierung oder M&A-Erfahrung, die durch externe Beirats-Expertise abgedeckt werden sollten. Gleichzeitig sollten Unternehmer realistisch bewerten, wie groß die Unterschiede zwischen ihrer Generation und potenziellen Nachfolgern sind – je größer die Kluft, desto wichtiger wird die Brückenfunktion des Beirats.
Die optimale Beirats-Zusammensetzung
Die Erfahrung zeigt: Die ideale Beirats-Größe liegt zwischen drei und sieben Mitgliedern. Bei weniger Personen fehlt oft die notwendige Diversität, bei mehr wird die Diskussion ineffizient. Eine bewährte Zusammensetzung umfasst ein bis zwei Familienmitglieder, zwei bis vier externe Experten und einen unabhängigen Vorsitzenden. Dabei sollte mindestens ein Drittel der Positionen mit Frauen besetzt werden, und das Altersspektrum sollte verschiedene Generationen abdecken.
Bei der Auswahl der Profile hat sich eine Mischung bewährt: Der Branchen-Experte bringt tiefes Marktverständnis mit, der erfahrene Unternehmer praktische Führungserfahrung, der Finanz-Spezialist Expertise in Bewertung und Steuern. Zunehmend wichtig wird auch der Transformations-Manager mit Digitalisierungs-Know-how sowie der Family-Business-Kenner, der die besonderen Dynamiken von Familienunternehmen versteht.
Operative Umsetzung: Professionalität von Anfang an
Ein funktionierender Beirat tagt mindestens viermal jährlich, in kritischen Nachfolgephasen auch monatlich. Ganztägige Sitzungen haben sich bewährt, da sie ausreichend Zeit für strategische Diskussionen bieten. Die Vorbereitung ist dabei entscheidend: Unterlagen sollten eine Woche vor der Sitzung vorliegen, die Agenda muss strukturiert sein, und Protokolle mit klaren Handlungsaufträgen sichern die Nachverfolgung.
Das Informationsmanagement erfordert besondere Aufmerksamkeit. Beiräte benötigen monatliche Zahlen, Quartalsberichte und Strategieupdates, aber auch Markt-Intelligence wie Branchenanalysen und Wettbewerbsbeobachtung. Bei Familienunternehmen kommt die Transparenz über Nachfolgeplanung und Gesellschafterthemen hinzu. Dabei sind klare Vertraulichkeitsvereinbarungen und der professionelle Umgang mit sensiblen Informationen unerlässlich.
Nachfolge-spezifische Maßnahmen: Von der Entwicklung bis zur Übergabe
Ein besonderer Fokus liegt auf der systematischen Entwicklung der Nachfolger. Bewährt haben sich Mentoring-Programme, bei denen jedes Beiratsmitglied die Patenschaft für bestimmte Kompetenzbereiche übernimmt. Strukturiertes 360-Grad-Feedback durch den Beirat gibt den Nachfolgern wertvolle Entwicklungsimpulse, während der Beirat gleichzeitig den Zugang zu seinem Netzwerk eröffnet und schrittweise in Kunden-, Lieferanten- und Bankenkreise einführt.
Der Übergabeprozess selbst sollte über einen Meilenstein-Plan von drei bis fünf Jahren strukturiert werden. Dabei werden die Verantwortlichkeiten des Nachfolgers jährlich ausgeweitet, während gleichzeitig klare Erfolgsmetriken die Performance messen. Besonders wichtig ist die Definition einer Exit-Strategie für den Übergeber: Wann und wie zieht er sich zurück, und welche neue Rolle nimmt er ein?
Budgetplanung und rechtliche Absicherung
Realistische Budgetplanung ist erfolgsentscheidend. Erfahrungsgemäß sollten Unternehmen 0,1 bis 0,3 Prozent ihres Jahresumsatzes für den Beirat einplanen. Diese Investition umfasst nicht nur die Vergütung der Mitglieder, sondern auch Reisekosten, externe Expertise und Versicherungen. Eine angemessene Vergütung ist dabei kein Kostenfaktor, sondern zieht qualifizierte Kandidaten an und signalisiert die Wertschätzung ihrer Arbeit.
Rechtlich sollten alle Beiratsmitglieder durch eine ausreichende D&O-Versicherung abgesichert sein. Klare Haftungsregelungen und regelmäßige Compliance-Schulungen schaffen zusätzliche Sicherheit. Die sorgfältige Dokumentation aller Entscheidungen ist nicht nur rechtlich geboten, sondern auch für die Nachvollziehbarkeit von Entwicklungen wertvoll.
Typische Stolperfallen vermeiden
Die häufigsten Fehler lassen sich durch Vorausschau vermeiden. Eine zu späte Installation des Beirats – erst bei akutem Nachfolgedruck – reduziert die Gestaltungsmöglichkeiten erheblich. Falsche Erwartungen, den Beirat als Allheilmittel für alle Probleme zu sehen, führen schnell zu Enttäuschungen. Unterfinanzierung bei der Mitglieder-Auswahl rächt sich durch mittelmäßige Kandidaten, während Mikromanagement die strategische Arbeit des Beirats untergräbt.
Warnsignale sollten ernst genommen werden: Sinkende Teilnahme der Beiratsmitglieder, oberflächliche Diskussionen ohne strategische Tiefe oder Widerstand wichtiger Familienmitglieder deuten auf grundsätzliche Probleme hin. Auch wenn der Beirat beginnt, sich in operative Entscheidungen einzumischen oder nach zwei Jahren keine messbaren Verbesserungen erkennbar sind, ist eine kritische Überprüfung angezeigt.
Wissenschaftliche Fundierung
Die Forschung bestätigt die zentrale Bedeutung professioneller Governance-Strukturen für erfolgreiche Nachfolgen. Das Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) betont in seinen Studien, dass Nachfolge als systematischer Prozess und nicht als punktuelle Übergabeentscheidung verstanden werden muss (WIFU, 2023).
Fazit: Beiräte als Erfolgsfaktor der Zukunft
Ein kompetent besetzter und legitimierter Beirat ist für Familienunternehmen weit mehr als ein strategisches Gremium – er ist ein Schlüsselelement erfolgreicher Unternehmensnachfolge. Die Praxisbeispiele von Henkel bis zur innovativen Familie Beutler zeigen: Beiräte ermöglichen nicht nur klassische Nachfolgelösungen, sondern auch flexible, moderne Ansätze.
Die Zahlen belegen eindeutig: Unternehmen mit professionell strukturierten Beiräten meistern Nachfolgeprozesse nicht nur häufiger erfolgreich, sondern auch schneller und konfliktärmer. In Zeiten, in denen nur noch jedes dritte Familienunternehmen eine familieninterne Nachfolge schafft, werden Beiräte zum entscheidenden Differenzierungsfaktor.
Kernbotschaft: Beiräte sind keine Kostenstelle, sondern eine Investition in die Zukunft des Familienunternehmens. Sie sorgen für Stabilität in Ausnahmesituationen, begleiten Nachfolger professionell und sichern die Handlungsfähigkeit zwischen den Generationen.
Ansprechpartner: Thomas Ochsner
Telefon: +49 89 94396400-2
ochsner@resulmi.de
Resultate Gesellschaft für Unternehmensentwicklung
Ihr Partner für strategische Nachfolgeplanung und Beirats-Beratung
Quellen und weiterführende Literatur:
- Fels, M.; Suprinovič, O.; Schlömer-Laufen, N.; Kay, R. (2021): Unternehmensnachfolgen in Deutschland 2022 bis 2026, IfM Bonn: Daten und Fakten Nr. 27, Bonn
- ifo Institut/Stiftung Familienunternehmen (2023): FamData-Umfrage zur Unternehmensnachfolge
- INTES-Studie (2024): Beiräte in mittelständischen Familienunternehmen, Juli 2024
- KERN Unternehmensnachfolge (2020): Beirat & Unternehmensnachfolge – Tipp für Familienunternehmen
- WIFU/Egon Zehnder (2024): Praxisleitfaden „Nachfolger in der Führungsrolle – Wie der Einstieg in die operative Nachfolge gelingt“
- WIFU (2023): Nachfolge in Familienunternehmen, Wittener Institut für Familienunternehmen